Abschlussbericht: Württembergische Einzelmeisterschaft Masters & Kandidatenturnier

Veröffentlicht: Samstag, 17. August 2024 09:53 Geschrieben von Karlheinz Vogel Drucken


Der ausrichtende Heilbronner Schachverein besorgte für die vom 02. – 08. August statt findende Württembergische Einzelmeisterschaft mit der Aula der Hochschule Heilbronn eine für Spieler wie Technik hervorragend ausgestattete Spielstätte. Deshalb einen ganz herzlichen Dank an die beiden Vorsitzenden Julian Bissbort und Ramin Geshnizjani sowie an ihr ganzes Helfer-Team! Gegenüber den Vorjahren wurde auf ein offenes Turnier und die Austragung des Frauenturniers verzichtet. Auch wird der Zeitplan auf eine Woche gestrafft: das bedeutet einerseits zwei Tage mit Doppelrunden, andererseits wird das Urlaubskonto weniger beansprucht. 

Zusätzlich gibt es einen Problemlösewettbewerb, ein Blitzturnier, Ehrungen, gemütliches Beisammensein, kurzum wer nicht gekommen ist, hat etwas versäumt.

 

 

Masters

Das Reglement wirkt kompliziert, aber dem ist nicht so: um heimischen Spielern in einem geschlossenen Turnier – also zehn Spieler, jeder gegen jeden – die Möglichkeit zu geben, eine Norm für den Titel eines Internationalen Meisters zu erspielen, benötigt man Titelträger einer ausländischen Föderation. Wenn der ausländischer Titelträger auch Mitglied eines Württembergischen Vereins ist, dann besitzt er Spielrecht im Verband und kann somit im Falle eines Sieges auch  Württembergischer Meister werden.

Von den drei Titelträgern GM Oleg Korneev (ESP, Schönaich), GM Nikolai (BUL, Reutlingen) und IM Soham Das (IND, München) ist also nur der „Ausländer aus Bayern“ nicht titelberechtigt. Auch unter den sieben Württembergern befinden sich zwei Ausländer – aber nicht wundern: fast alle Menschen sind Ausländer – und das sogar fast überall!

Für fünf der sieben Normenjäger waren 6,5 Punkte für eine IM Norm nötig. Ausgenommen sind FM Jens Hirneise, der bereits drei Normen hat. Für ihn geht es darum, möglichst viele Punkte zu sammeln, um die Grenze von 2400 Elo-Punkten zu erreichen oder zu durchbrechen. Aufgrund seiner relativ niedrigen Bewertung bekommt Christopher Freiherr von Hauff dadurch stärkere Gegner, so dass ihm 6 Punkte für eine Norm genügen.

Zunächst startet CM Ivan Ramirez Marin mit 3,5 von 4 möglichen Punkten wie die Feuerwehr, aber leider kommt nur noch ein Punkt hinzu. Gegen den erfahrenen GM Korneev wählte er statt des Zugs, der das Gleichgewicht gewahrt hätte, einen der +2 bedeutete und in der Folge ließ sich der GM nicht mehr die Butter vom Brot nehmen.

Am konstantesten spielt eben dieser GM Korneev. der mit drei Siegen bei sechs Unentschieden auf 6 von 9 möglichen Punkten kommt und somit ungeschlagen alleiniger Sieger wird. Ebenfalls ungeschlagen, aber mit einem Sieg weniger, erzielt Dr. Braun aus Bebenhausen 5,5 Punkte. Das reicht für den ungeteilten zweiten Platz, jedoch nicht für eine IM Norm. Nichts für schwache Nerven ist das Spiel von IM Das: durchaus unternehmungslustig, aber mehrfach hat er noch um die zwanzig Züge bis zur Zeitkontrolle vor sich und lebt nur noch vom Inkrement. Das macht ihm nichts aus –- im Gegenteil: oft gelingt es ihm, auch seine Gegner in Zeitnot zu bringen und kann dann daraus Kapital schlagen. Am Ende genügt ihm ein Ergebnis von +1 für Platz drei.

Es folgt eine Gruppe von vier Spielern mit 4,5 Punkten. Damit wird es Zeit über die Kriterien zur Feinwertung zu sprechen: Buchholz macht in einem geschlossenen Turnier keinen Sinn, also wird der direkte Vergleich zum ersten Kriterium, gefolgt von der Anzahl der Siege und Sonneborn Berger. Zuferi gewann gegen zwei der drei Mitstreiter, Ramirez Marin und Ninov kommen beide auf 1,5 Punkte, aber drei statt zwei Siege sieht somit den Mexikaner Ramirez vor dem bulgarischen GM Ninov. Dieser hat technische Probleme und muss auf seinen PC für die Partievorbereitung verzichten. Obwohl letzter in dieser Gruppe wird sich der nominelle Underdog Freiherr von Hauff sowohl über die Platzierung wie auch über seinen ELO-Gewinn freuen. Auch die drei Spieler am Tabellenende haben schlagen sich achtbar und liefern in etwa im Rahmen ihres Erwartungswerts ab. Insgesamt werden 24 von 45 Partien entschieden, aber oft nehmen sich die Normenjäger gegenseitig die Punkte weg.

Da GM Korneev 2012 den Verband gewechselt hat und seither Spanier ist, darf er trotz seines Siegs nicht zur Deutschen Meisterschaft fahren. Damit ist Dr. Georg Braun auch für die Deutsche im nächsten Jahr qualifiziert – demnächst kann man ihn vom 18. – 28. August in Ruit sehen. Der Münchner Inder IM Das scheitert gleich an zwei Kriterien, so dass mit FM Enis Zuferi auch der Viertplatzierte zur Deutschen Meisterschaft darf.


v.l.: GM Ninov (Bulgarien, 4,5 Punkte - Platz 6), CM Ramirez Marin (Mexiko, 4,5 P – 5.), FM Zuferi (4,5 P – 4.), IM Das (Indien 5 P – 3.), FM Dr. Braun (5,5 P – 2., GM Korneev (Spanien, 6 P – 1.)

 

Normen

Auch wenn es mit IM-Normen nicht klappt, eine Norm für einen Spieler gibt es dennoch: dem für Heilbronn denkenden Meisterkandidaten Ramirez Marin gelingt es in der Live-Ratingliste die 2300er-Marke zu überschreiten und weist damit die notwendige Spielstärke nach, um den Titel eines FIDE-Meisters beantragen zu können.

Aber nicht nur Spieler können Normen erzielen, Normen gibt es auch für Schiedsrichter: so erzielte Ramin Geshnizjani zum einen eine Norm mit dem Blitzturnier nach CH-System. Eine Bedingung ist, dass mindestens 30 Teilnehmer verlangt sind. Als es genau 30 angemeldete Teilnehmer sind, wird GM Ninov gefragt, ob er nicht doch mitspielen möchte und das ist dann auch gut so, dass dann 32 Teilnehmer im Turnier sind – ein Spieler hat seine FIDE-ID zwar beantragt, aber noch nicht erhalten. Und bei lediglich 30 Spielern sind das nur 29 TN im Sinne der FIDE … was ganz knapp nicht gereicht hätte. Für seine Tätigkeit als Schiedsrichter im Kandidatenturnier gibt es für Geshnizjani gleich noch eine zweite Norm.


Ramin Geshnizjani mit seinen zwei Normen, die er von Hauptschiedsrichter Klaus Fuß überreicht bekam – CM Ramirez Marin muss seinen Titel bei der FIDE gegen größere Unsummen baren Geldes beantragen.

 

Kandidatenturnier

Im Kandidatenturnier kämpfen insgesamt 24 Spieler um zwei Plätze, die den Aufstieg ins Masters im nächsten Jahr bedeuten. Auch da wird verbissen gekämpft. Oft wird im Kandidatenturnier länger als auf der Bühne gekämpft und gerne sind es die üblichen zwei oder drei Verdächtigen, die da „Überstunden“ machen. Das schöne am Schach ist, dass das Alter fast keine Rolle spielt: so liegen zwischen dem mutmaßlich jüngsten und ältesten Spieler eine Altersdifferenz von fast siebzig Jahren. Und anerkennend meint ein älterer Spieler, der nach langem Ringen gegen besagten Elfjährigen gewinnt „Im nächsten Jahr habe ich keine Chance mehr gegen Dich, da gewinnst dann Du.“

Während sich in der ersten Runde – mit Ausnahme der Bretter 7 und 8 noch die Favoriten durchsetzen, gibt in der zweiten Runde der Ratingfavorit ein Remis ab, während der Zweite der Setzliste gegen Altmeister Gabriel in einem wilden Hauen und Stechen gar unterliegt. In Runde drei remisieren die beiden Böblinger Seitz und Narr schnell, um in Runde vier gegen die direkte Konkurrenz zu punkten. Das bedeutet, dass in der 5. Runde die Top-6 der Setzliste gegeneinander spielen: Kottke (3 Punkte, Platz Nr. 2) unterliegt Seitz (3,5 P, Nr. 3), Baur (3 P, Nr. 6) remisierte gegen Narr (3,5 P, Nr. 4), während Wartlick gegen den erkrankten Tscharotschkin einen kampflosen Punkt einstreicht. In den nächsten drei Runden können sich Seitz, Narr und Wartlick ein Polster von mindestens einem Punkt vor ihren Verfolgern erarbeiten und liegen mit 6 von 8 möglichen Punkten gemeinsam an der Spitze. Da die drei schon gegeneinander gespielt haben, gibt es in der letzten Runde drei Endspiele, die um die zwei Aufstiegsplätze kämpfen. Das Ergebnis war eindeutig: Aus Favoritensicht wird je eine Partie gewonnen, eine endet remis und eine wird verloren. Somit schaffen Kevin Narr (Böblingen) mit 7 und Karl Wartlick (Willsbach) mit 6,5 den Aufstieg. Wie im Masters gibt es Preise für die ersten sechs der Tabelle:


v.l. aufsteigend von Platz 6 bis 1: Marius Hurm (Hohentübingen), Frank Baur (Mengen), Daniil Yasmo (Stuttgart), Patrick Seitz (Böblingen), Karl Wartlick und Kevin Narr.

Begleitprogramm


Im Rahmen der Meisterschaft fand ein Problemschachturnier statt, von unserem Problemschacheferenten Prof. Wolfgang Erben verkleinernd als Problemlöseturnierle bezeichnet. Immerhin elf Teilnehmer folgen seiner Einladung. Zu lösen waren drei Zweizüger: Weiß am Zuge setzt in zwei Zügen matt. Der Zeitrahmen beträg 30 Minuten. Alle elf Teilnehmer erweisen sich als gute Löser – oder wahlweise Wolfgang Erben als guter Pädagoge, denn die ersten beiden Aufgaben bewältigen alle. Vier der elf Teilnehmer schaffen auch die dritte, allein schon vom Material her, schwierigere Aufgabe; sie erhalten einen Geldpreis, die ersten drei zusätzlich einen von der Schwalbe - der deutschen Vereinigung für Problemschach - gestifteten Buchpreis.

Durch die kürzeste Bearbeitungszeit belegt Xiang-Tobias Peng den ersten Platz (40€), geringfügig länger benötigt GM Nikolai Ninov (30€). Auf den Plätzen drei und vier folgten Stephan Dietrich und Ramin Geshnizjani (je 15€).


v.l.: Ramin Geshnizjani (4.), Stephan Dietrich (3.), GM Nikolai Ninov (2.) und Xiang-Tobias Peng (1.)

Für diejenigen, die es selbst versuchen wollen, hier das Aufgabenblatt, so wie es die Teilnehmer bekommen haben. Und hier die zugehörigen Lösungen.

Ebenfalls gut angenommen wird das Blitzturnier, das mit 32 Teilnehmer sowohl von der Größe als auch der Spielstärke gut besetzt ist. Gespielt werden 9 Runden mit einer Bedenkzeit von 3 Minuten und einer Zeitzugabe von 2 Sekunden je Zug. Auch hier setzen sich die Favoriten durch: es gewinnt GM Korneev vor GM Ninov. Ein Ausrufezeichen setzte Freiherr von Hauff mit Platz 3. Den vierten und fünften Platz teilten sich punkt- und wertungsgleich IM Das und Huber.


v.l.: GM Nikolai Ninov (2.), GM Oleg Korneev (1.), IM Soham Das und Philipp Huber (geteilter 4. und 5.), Richard Walter (Jugend), Torsten Schulte (Senioren), Christopher Freiherr von Hauff (3.)

Ein separater Bericht mit weiteren Details über das Blitzturnier sowie alle Tabellen finden sich auf der Turnierseite

Am Dienstag wird kurz vor Beginn der Nachmittagsrunde Reiner Scholte und Saygun Sezgin von Vizepräsident Ottmar Seidler für ihre langjährigen Verdienste ums Schach und ihre vielfältigen Aktivitäten in Verein und Verband die goldene Ehrennadel des Schachverbands überreicht. Die entsprechenden Ehrungen wurden auf der EP-Sitzung am 20. Juli 2024 beschlossen.


Reiner Scholte, Bernd-Michael Werner und VP Ottmar Seidler


Saygun Sezgin und VP Ottmar Seidler

Hier noch ein paar Bilder und Eindrücke vom Turnier:

Meisterturnier: Teilnehmer und Spielort "Empore"


CM Ivan Ramirez Marin (Heilbronn, Mexiko) und FM Jens Hirneise (Böblingen)


GM Nikolai Ninov (Reutlingen, Bulgarien) und FM Dr. Georg Braun (Bebenhausen)


Xiang-Tobias Peng (Heilbronn) und IM Soham Das (München, Indien)


Christopher Freiherr von Hauff (Bebenhausen) und GM Oleg Korneev (Schönaich, Spanien)


FM Gunnar Schnepp (Heilbronn, Österreich) und FM Enis Zuferi (Heilbronn)

Spielsaal, Organisation, Technik und überhaupt


der Eingang (oben links) ist nicht zu übersehen, die Helfer (oben rechts) sind oft an ihren Roten "Blitz und Donner" Polos zu erkennen und der Spielsaal war dem Ereignis angemessen (ein Beamer für die Liveübertragung, einer mit technischen Infos)


die Schiedsrichter Klaus und Steffen (oben links) bei der Arbeit; Bernd (oben rechts) verantwortet die Technik, wie z.B. die Liveübertragung ohne Zeitverzögerung im Saal - und deshalb auch ohne Chat, Uhrzeit und Bewertungsbalken, während die drei Monitore - Danke an die IT der Hochschule für die Überlassung! - im Aufenthaltsbereich die Partien, wie üblich mit 15 Minuten Verzögerung, und nach wie vor ohne Chat und Bewertung, aber eben mit der Uhrzeit, anzeigen.


Turnierleiter Bernd-Michael Werner, GM Oleg Korneev mit Meisterpokal - im Hintergrund der Siegerpokal - und Ramin Geshnizjani (oben links), die anderen sechs Pokale für die Plätze ein bis drei des Masters- bzw. Kandidatenturniers (oben rechts) sowie ein Blick ins Publikum. Mit Altin Zhegrova ist auch ein Vertreter der Stadt Heilbronn vor Ort, leider ist sein Foto nicht gut genug, um hier gezeigt zu werden.

Masters

Veröffentlicht: Montag, 22. Juli 2024 17:03 Geschrieben von Holger Schröck Drucken

WEM-Masters 2024

Chess-Results

Eckwerte: 9 Runden, Zeitmodus Fischer kurz, es können IM-Normen erspielt werden, die drei Bestplatzierten, mit einer Spielberechtigung in Württemberg, qualifizieren sich für das Masters 2025. Alle anderen Spielberechtigten steigen ins KT ab.

Liveübertragung* bei    Lichess      Chess.com     Chessbase

*Bretter und Equipment für die Übertragung werden von der Firma Millennium zur Verfügung gestellt.

Partien:

Runde_1

Runde_2

Runde_3

Runde_4

Runde_5

Runde_6

Runde_7

Runde_8

Runde_9

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